Elastizität und Dynamik im Paar

Tango Figur - Boleo mit Patrizia und Michael

Ein Grund der tiefen Faszination des Tangos rührt sicherlich auch daher, dass das Führen und die Kommunikation im Paar nicht nur durch Führungsimpulse entstehen, sondern durch den Austausch fluktuierender Energiepakete.

Führen über Führungsimpulse bedeutet, dass der Führende ein Signal aussendet, welches von der Folgenden umgesetzt wird. Im Prinzip erfolgt auf eine Aktion eine zeitversetzte Reaktion – es ist der erste Schritt Tango zu lernen und Tango zu tanzen.

Wenn man länger Tango tanzt, verringert sich zunehmend die Reaktionszeit – Impulssetzen und Umsetzen werden fast gleichzeitige Aktionen. Damit ist man schon sehr nah an dem Thema „Elastizität und Dynamik im Paar“.

Wichtigstes Prinzip bei dieser Art des Tanzens ist die Gemeinsamkeit – Aktionen finden gleichzeitig statt – was jedoch nicht bedeutet, zusammen in die gleiche Richtung zu gehen. Hier kommt ein besonderes Element beim Tango zum Tragen. Zum Bespiel wird üblicherweise beim Ochorückwärts so getanzt, dass Mann und Frau zusammen in die gleiche Richtung gehen. Baut man das Prinzip Elastizität und Dynamik in den Ocho ein – wird die Technik so ausgeführt, dass Mann und Frau Scheibenwischer-artig gegeneinander pendeln – gleichsam wie von einem unsichtbaren Gummiband gezogen. Es sind keine großen Bewegungen – ungeübte Augen erkennen fast nicht, was da passiert. Gelegentlich kommen Frauen, die noch nicht soviel Tanzerfahrung haben in diesen Genuss, wenn ein Mann diese Technik so gut beherrscht, dass „frau“ das Gefühl hat, eine unsichtbare Kraft lässt sie im Einklang mit der Musik wunderschöne Bewegungen ausführen.

Die Technik des elastischen Tanzens beruht auf linearen Bewegungen – „das Gummiband“ wird gedehnt und beim Entspannen bewegen sich zwei Körper aufeinander zu – die „Feder“ wird gestaucht – und zwei Körper bewegen sich voneinander weg. Gummiband und Feder im Tango Argentino sind die Arme und die Beine, die sich verbinden und öffnen und elastisch miteinander kommunizieren.

Denkt man an Colgada- und Volcadatechniken erliegt man gerne der Versuchung, dass diese Techniken typische Vertreter des elastischen Tanzens seien. Wenn ein Tangopaar eine Volcada erlernt, dann ist man noch nicht so weit, Elastizität einzubauen. Üblicherweise wird die Frau vom Mann nach vorne gekippt und anschließend schiebt der Mann die Frau wieder zurück, wobei die Bewegung gerne mit einem Kreuz beendet wird. So sperrig wie sich dieser Satz anhört, so „holprig“ fühlt sich so eine Volcada-Bewegung an. Ähnliches ist oftmals bei der Colgada zu beobachten. Die Frau hängt „irgendwie“ außerhalb der Achse, wird vom Mann festgehalten und dabei karussellartig gedreht.

Bei elastischen Volcadas und Colgadas  bewegen sich Mann und Frau um eine gemeinsame Achse. Bei einer Volcada greift das Prinzip der zusammengedrückten Feder, bei einer Colgada das eines sich dehnenden Gummibandes.

Volcadas und Colgadas sind spektakuläre Vertreter dieser Art des Tangotanzens. Genauso spannend ist elastisches und dynamisches Tanzen „im Kleinen“. Sei es ein „einfacher“ Richtungswechsel oder „irgendein“ Boleo. Wer dieses Prinzip verinnerlicht hat, wird feststellen, dass solche Bewegungen weniger Platz verbrauchen als herkömmliche Tanzstile und unglaublich viel Spaß machen.